Der Geheimdienst des Volkes

Victoria Pluschke

Kriegsverbrechen müssen aufgeklärt werden – nicht nur in der Ukraine! Denn als völkerrechtswidrige Gewalttaten bringen sie großes Leid über die in einem Kriegsgebiet lebenden unschuldigen Menschen. Umso wichtiger ist die Arbeit eben jener Journalistinnen und Journalisten, die schwere Verstöße gegen geltendes Völkerrecht aufdecken und veröffentlichen.


Julian Assange wird für seine investigative Arbeit angeklagt und eingesperrt. Ihm drohen 175 Jahre Isolationshaft, weil er die Ausführung von völkerrechtswidrigen Kriegsverbrechen öffentlich gemacht hat. Eine solche Rechtsprechung vernachlässigt eine banale Wahrheit: Nicht die Veröffentlichung von Kriegsverbrechen, sondern ihre Ausführung ist eine Straftat. In der demokratischen Verfassung unseres Landes – dem Grundgesetz – heißt es deutlich:
(1) Jeder hat das Recht […] sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit [wird] gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.i


Mit Wikileaks war es Menschen möglich geworden, Informationen anonym online einzureichen, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Denn Whistleblower widersetzten sich mit der Preisgabe geheimer Informationen vertraglich vereinbarten Geheimhaltungsklauseln und verstoßen damit gegen geltendes Recht.

 
Julian Assange und sein Team sahen diese Informationen ein, prüften und publizierten sie, um aus den Informationen eine allgemein zugängliche Quelle zum Informationsgewinn der Gesellschaft zu machen. Um es deutlich hervorzuheben: Julian Assange hat die Informationen nicht selbst eingereicht, er hat sie veröffentlicht. Ein Beispiel: Im vom Assange publizierten „Collateral Murder“-Video wurden 12 zum Teil unbewaffnete Zivilisten im Irak von einem amerikanischen Kampfhubschrauber aus hingerichtet. Die im Video gezeigte Szene gilt als Kriegsverbrechen.ii (Collateral Murder, 2010iii)


Kriegsverbrechen sind völkerrechtswidrig und sollten rechtlich verfolgt und bestraft werden, statt sie durch Geheimhaltungsabkommen zu decken. Nicht die Veröffentlichung von Straftaten, sondern ihr Begehen ist ein Verbrechen! Die amerikanische Justiz wirft Assange jedoch Spionage vor, weshalb ihm im Rahmen eines Spionagepozesses nach amerikanischer Rechtsprechung bis zu 175 Jahre Isolationshaft drohen.


Richtig ist, dass die Veröffentlichung geheimer Informationen keine Menschenleben gefährden darf. Hier ist auch Assange sicherlich ein richtiger und wichtiger Vorwurf zu machen. Dennoch ist dies kein Fall von Spionage, sondern eine Frage der publizistischen Handhabe. Eine entsprechende Verurteilung Assanges in Amerika hätte eine hoch abschreckende Wirkung auf Journalist*innen. Die Veröffentlichung geheimer Informationen, die das Risiko einer politischen Verfolgung und Bestrafung nach sich zöge, würde sich damit zu einer Art Himmelfahrtskommando entwickeln. Einem Risiko, das sich wohl kaum noch jemand würde aussetzen wollen. Damit sehen wir im Main-Kinzig-Kreis unser Recht auf Informations- und Pressefreiheit empfindlich bedroht, da die freie Berichterstattung unserer lokalen Medien damit eine nicht hinnehmbare Einschränkung erfährt.


Auch andere Säulen unserer Rechtsstaatlichkeit sind gefährdet, wie beispielsweise das strafrechtliche Grundprinzip der Unschuldsvermutungiv und das Folterverbot.v Der UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer stellte nach einem Besuch von Assange fest:


„Assange wies während unseres Besuchs in Belmarsh die für Opfer psychischer Folter typischen Symptome auf, darüber gab es keinen Zweifel. Mehrere andere Ärzte waren bereits früher zum selben Schluss gekommen, als Assange noch in der ecuadorianischen Botschaft blockiert war. Eine psychische Vorerkrankung Assanges konnte als Ursache für diese
Symptome ausgeschlossen werden. Sie mussten daher das Resultat seiner Lebensbedingungen in den vergangenen Jahren sein […].“vi


Deshalb fordert DIE LINKE.Main-Kinzig die Freilassung Julien Assanges, sein Recht auf einen fairen Prozess, die Einhaltung der Unschuldsvermutung und ein Ende der psychischen Folter.


DIE LINKE. Main-Kinzig, Kreisvorstand
Victoria Pluschke, Kreisvorstandsmitglied

 

Quellen:
i Art. 5 GG
ii Vgl.: Nils Melzer: Der Fall Julian Assange. Geschichte einer Verfolgung. 2. Auflage. München 2021, S. 34-40, hier S. 38: „Vor dem Hintergrund dieser unbestrittenen Fakten muss der Angriff auf den verwundeten Chmagh und seine Retter […] als vorsätzlich begangenes Kriegsverbrechen qualifiziert werden.“
iii Anonym: Collateral Murder, In: Wikileaks 05.04.2010: https://collateralmurder.wikileaks.org [abgerufen am 04.06.2022, (VP)].
iv Vgl. dazu Art. 11 Abs. 1 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
v Vgl. dazu bspw. Art. 5 Allgemeine Erklärung der Menschrechte und Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention.
vi Vgl. dazu Nils Melzer: Der Fall Julian Assange. Geschichte einer Verfolgung. 2. Auflage. München 2021, S. 8998, hier S. 93.

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