Linke stellt Fairgabe in dem Mittelpunkt der Kreistagssitzung

Die Linke ist in der nächsten Kreistagssitzung mit gleich drei Anträgen vertreten. Sie fordert die Solidarität mit den Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsberufe sowie in einem weiteren Antrag deren Aufwertung. Mit einem umfangreichem Antrag verlangt sie vom Kreisausschuss, die Vergaberichtlinien des Kreises umgehend dem „Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) vom 19.12.2014 anzupassen. Die Möglichkeit, umweltbezogene oder innovative Anforderungen an den Auftragnehmer zu stellen soll gestärkt werden.

Das Hessische Vergabegesetz geht den Linken allerdings nicht weit genug. Deshalb fordern sie, dass darüber hinaus insbesondere die Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer Kriterien, wie Einhaltung von Tarifverträgen, Ausbildungsquoten und Arbeitsschutzrichtlinien, schon in der Ausschreibung stärker genutzt werden sollen.

Entsprechend dem HVTG soll der Beschluss auch in den Zweckverbänden, kommunalen Arbeitsgemeinschaften und Eigenbetrieben, an denen der Main-Kinzig-Kreis beteiligt ist bzw. Vertreter entsendet Anwendungen finden. In Gesellschaften, an denen der Main-Kinzig-Kreis beteiligt ist, sollte entsprechend verfahren werden. Vertreter des Main-Kinzig-Kreis in diesen Gesellschaften und Einrichtungen sollen in den Entscheidungsgremien entsprechend tätig werden.

Der Main-Kinzig-Kreis seit ein bedeutender Auftraggeber bei Beschaffungen im Bereich von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen, so die Linke. „Der Kreis hat damit arbeitsmarkt- und umweltpolitische Verantwortung. Dieser Verantwortung soll mit einem Beschluss im Sinne einer nachhaltigen und an sozialen und ökologischen Kriterien ausgerichteten Beschaffungs- und Vergabepraxis Rechnung getragen werden“, fordert der Fraktionsvorsitzende Andreas Müller.

Das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz nennt in § 3 soziale und ökologische Anforderungen und Nachhaltigkeitsaspekte. Diese sollen bei der Beschaffung und Auftragsvergabe durch den Kreis entsprechend dem Auftragsgegenstand angewendet werden. Müller betont, dass zusätzlich zum HVTG auch noch weitere soziale Kriterien, wie Einhaltung von Tarifverträgen, Ausbildungsquoten und Arbeitsschutzrichtlinien, schon in der Ausschreibung stärker genutzt werden sollten.

Der Bundestag hätte im Dezember 2008 die Umsetzung der EU-Vorgaben zur Reform der Beschaffung von Bund, Ländern und Kommunen in Gestalt der Modernisierung der Vergabeordnung beschlossen. Weitere Gesetze und Verordnungen sagen „Ja“ zu fairen und sozialgeschützten Ausschreibungen.

Hier nennt die Linke bespielhaft § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und den Art. 4 Abs. 5 der Europäischen Vergabeordnung VO (EG) 1370/2007.

Ein Großteil der 360 Milliarden Euro öffentlicher Aufträge in Deutschland werde noch nach einer „Geiz ist geil“-Logik vergeben. Der niedrigste Preis zähle – egal, ob der Schutz von Kindern, faire Lohn- und Arbeitsbedingungen, elementare Menschenrechte oder der Klimaschutz beachtet werden, so der Fraktionsvorsitzende Andreas Müller.

Es sei aber möglich, soziale Kriterien, wie die Einhaltung von Sozial- und Tarifstandards, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen.

Die zu Grunde liegende europäische Richtlinie stelle klar, dass für die Ausführung eines konkreten Auftrags zusätzliche soziale, umweltbezogene oder innovative Anforderungen an den Auftragnehmer gestellt werden dürfen. Wichtig ist, dass diese zusätzlichen Anforderungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen.

Da es bei diesen Ausschreibungen notwendig sei, diese Anforderungen und deren Gewichtung genau zu benennen, um rechtsichere Vergaben vorzunehmen, sollte dies in einer Vergaberichtlinie konkret beschrieben werden.

Hierbei sollen die weiteren Kriterien für die Vergabe mit 70% gewichtet werden und die Preiskriterien mit maximal 30%.

Hintergrundinfos:

§ 97 Abs. 4 des GWB

  • Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes wie auch nach den europäischen

Richtlinienvorgaben sollen die zusätzlichen Bedingungen für die Ausführung eines Auftrages gerade soziale Aspekte betreffen können.

  • Ein Tariftreueverlangen ist damit als auftragsbezogene soziale Anforderung anzusehen.
  • Daher hält das Bundesverfassungsgericht Tarifklauseln für verfassungsgemäß. Denn die Beachtung eines Mindestentgelts im Rahmen eines konkreten Auftragsverhältnisses dient sowohl der Durchsetzung der Arbeitnehmermotivation als auch der Qualitätssicherung der Arbeitsergebnisse.

Art. 4 Abs. 5 VO (EG) 1370/2007

  • Die Vergabestelle kann den Übergang aller betroffenen Arbeitsverhältnisse selbst anordnen. Ein betroffenes Unternehmen kann verpflichtet werden, die Belegschaft des bisherigen Dienstleistungserbringers zu übernehmen und darüber hinaus zu beschränken, eigene Arbeitnehmer zu geringeren Lohnkosten zu beschäftigen.
  • Vergabestellen haben die Möglichkeit, den Bewerber zur Einhaltung von bestimmten Sozialstandards zu verpflichten.

Der Artikel 4 Abs. 5 der VO (EG) 1370/2007 ist eine Ermächtigungsgrundlage für eine Tariftreue.

Artikel 31 - Grundrechte-Charta

Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen

(1)   Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen.

(2)   Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie bezahlten Jahresurlaub.

Der 17. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) 1370/2007 erläutert den Inhalt den Begriffen „Sozialstandards“ und „Qualitätsstandard“:

„Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip steht es den zuständigen Behörden frei, soziale Kriterien festzulegen, um Qualitätsstandards für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen aufrechtzuerhalten und zu erhöhen, beispielsweise

bezüglich der Mindestarbeitsbedingungen […] sowie bezüglich der sich aus Kollektivvereinbarungen ergebenden Verpflichtungen […] an dem Ort, an dem der Dienst erbracht wird.“

Dieser Erwägungsgrund macht deutlich, dass sich die Sozialstandards auch aus vor Ort geltenden Tarifverträgen ergeben können und die Verordnung damit Tariftreueverlangen ohne weiteres zulässt . Den Erwägungsgründen einer Verordnung kommt selbst zwar keine unmittelbare Rechtswirkung zu, allerdings legen sie die Motive des Gesetzgebers dar. Der europäische Gesetzgeber geht damit von der Zulässigkeit solcher sozialen Kriterien für alle vom Bewerber eingesetzten Arbeitnehmer aus. Daher, im Gegensatz zur Behauptung, ist in Art. 4 Abs. 5 der VO (EG) Nr. 1370/2007 eine spezielle Ermächtigungsgrundlage zur Vorgabe sozialer Standards enthalten, die auch in einem Erst-Recht-Schluss das Verlangen von Tariftreueerklärungen erlaubt. Auch Art. 4 Abs. 6 VO (EG) Nr. 1370/2007 kann als Rechtsgrundlage für Tariftreueerklärungen angesehen werden.

Dies folgt zwar nicht direkt aus dem Wortlaut, jedoch aus dem Erwägungsgrund 17 der Verordnung.